Finanzwissen

Rückblick auf das Jahr 2020

Geschrieben von Whitebox-Redaktion | Mar 16, 2021 11:00:00 PM

Unabhängig davon wie lange das Virus uns noch beschäftigen wird — 2020 wird uns höchstwahrscheinlich als "Corona-Jahr" in Erinnerung bleiben. Aber da war noch mehr: Wir bei Whitebox haben einen Lagebericht erstellt, um zusammenzufassen und festzuhalten, wie wir das vergangene Jahr als digitaler Vermögensverwalter beobachtet und bewertet haben.

Gesamtwirtschaftliche Rahmenbedingungen

Die Folgen der Corona-Pandemie und der Maßnahmen zu ihrer Eindämmung haben die Weltwirtschaft 2020 erheblich belastet. Nach den jüngsten Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2020 im Vergleich zum vorhergehenden Jahr weltweit um 3,5 Prozent zurückgegangen. In den Industrieländern fiel das BIP im Durchschnitt um 4,9 Prozent, in den Schwellen- und Entwicklungsländern um durchschnittlich 2,4 Prozent. Während die USA mit einem Minus von 3,4 Prozent einen vergleichsweise geringen Rückgang der Wirtschaftsaktivitäten verzeichneten, liegen die Zahlen für den Euro-Raum (-7,2 Prozent) und Großbritannien (-10,0 Prozent) deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. China ist die einzige große Volkswirtschaft, für welche die IWF-Ökonomen im vergangenen Jahr ein Wirtschaftswachstum ausweisen, das mit 2,3 Prozent allerdings viel niedriger ausgefallen ist als in den vorhergehenden Jahren.

Nach einem kräftigen Zusammenbruch im ersten Halbjahr 2020 ist die Erholung der Weltwirtschaft bereits im zweiten Halbjahr stärker ausgefallen, als es viele Experten erwartet hatten. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass es vor allem angesichts der weltweiten Impfkampagnen 2021 gelingen wird, die Pandemie unter Kontrolle zu bringen. Umfangreiche staatliche Hilfsprogramme und eine anhaltend expansive Geldpolitik der wichtigsten Notenbanken sollten der Wirtschaft wieder auf die Beine helfen. Dementsprechend optimistisch fallen die Prognosen für das künftige Wachstum aus: So rechnet der IWF für 2021 mit einem Zuwachs des weltweiten BIP um 5,5 Prozent und für 2022 um 4,2 Prozent.

Dabei dürfte der wirtschaftliche Aufschwung 2021 in unterschiedlichen Ländern und Regionen der Welt stark variieren. Besonders hohe Wachstumsraten des BIP erwarten Ökonomen in Indien und China. Die beiden asiatischen Volkswirtschaften könnten gemäß einer Anfang März von der OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) veröffentlichten Konjunkturprognose im Vergleich zum Vorjahr um 12,6 beziehungsweise 7,8 Prozent wachsen. Unter den westlichen Industrieländern könnten vor allem die USA einen robusten Wirtschaftsaufschwung erzielen: Nachdem die neue US-Regierung unter Präsident Joe Biden ein gigantisches Konjunkturpaket in Höhe von fast zwei Billionen US-Dollar verabschiedet hat, trauen die OECD-Ökonomen dem Land in diesem Jahr ein BIP-Wachstum von 6,5 Prozent zu.

Durch eine Steigerung der Nachfrage in und aus den USA könnte das gewaltige US-Hilfsprogramm nach Ansicht der OECD-Experten wesentlich dazu beitragen, dass die weltweite Produktion bereits Mitte 2021 über ihr Niveau vor Beginn der Pandemie ansteigt. Allerdings wird die europäische Wirtschaft nicht mit dieser Dynamik mithalten können: Für den Euroraum erwartet die OECD dieses Jahr lediglich einen Zuwachs um 3,9 Prozent. Dabei könnte Deutschland seine Rolle als Wachstumsmotor verlieren und sich mit einer Zunahme des BIP um lediglich 3,0 Prozent sogar eher als Bremsklotz erweisen. Einige europäische Volkswirtschaften, wie Italien, Spanien und Großbritannien, werden sich voraussichtlich erst 2022 von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise erholt haben.

Viele Ökonomen betonen, dass die aktuellen Wachstumsprognosen mit erheblichen Unsicherheiten behaftet sind. Sie basieren auf der Annahme, dass die Corona-Pandemie erfolgreich bekämpft wird und effektive Maßnahmen zur konjunkturellen Unterstützung konsequent und lange genug aufrecht erhalten werden, bis die Wirtschaft wieder aus eigener Kraft wachsen kann. Von entscheidender Bedeutung sei insbesondere ein schnellerer und effektiverer Einsatz von Impfungen in allen Teilen der Welt. Nach Auffassung der OECD sollten die wichtigen Notenbanken ihre expansive Geldpolitik auch dann beibehalten, wenn die Inflationsraten vorübergehend über die gesteckten Ziele hinausschießen. Ein wichtiges Risiko besteht Ökonomen zufolge auch in der zunehmenden Ungleichheit zwischen armen und reichen Ländern und Bevölkerungsschichten, da die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen arme Gesellschaften und Schichten deutlich stärker belasten als wohlhabende.

Kapitalmarktentwicklung

An den Kapitalmärkten haben die Corona-Pandemie und deren Folgen nur erstaunlich kurz für Unruhe gesorgt. Auf den weltweiten Aktienmärkten kam es im Februar und März 2020 zu heftigen und ungewöhnlich schnellen Kurseinbrüchen, die jedoch von einer sehr dynamischen Erholung abgelöst wurden. Besonders schnell und kräftig verlief diese Erholung in den USA, wo wichtige Aktienindizes wie der S&P 500 oder der technologielastige Nasdaq Composite bereits im August und im Juni 2020 neue historische Höchststände erreichten. Der S&P 500 beendete das Jahr mit einem Plus von gut 16 Prozent, der Nasdaq-Index legte sogar um fast 44 Prozent zu. Der Aufschwung der US-Indizes basierte vor allem auf kräftigen Kurssteigerungen einiger weniger, hoch kapitalisierter Technologieaktien wie Alphabet (Google), Amazon, Apple, Facebook, Microsoft und Netflix, die vom Boom der Internetökonomie besonders profitieren.

Die europäischen Aktienmärkte konnten mit dieser Aufwärtsdynamik nicht mithalten, haben sich inzwischen aber auch von den Kurseinbrüchen im Frühjahr des vergangenen Jahres erholt: Der Euro Stoxx 50 Index gab 2020 um gut fünf Prozent nach und erreichte sein Niveau vom Jahresanfang 2020 erst wieder im März 2021. Der deutsche Leitindex DAX stieg 2020 immerhin um fast 2,5 Prozent und erreichte im Dezember vergangenen Jahres bereits wieder neue historische Höchststände.

Nachdem sich die Rekordjagd wichtiger Aktienindizes im Frühjahr 2021 zunächst fortgesetzt hat, hat die Stimmung an den Aktienmärkten zuletzt spürbare Dämpfer erhalten. Verbesserte Konjunkturaussichten und das Billionen-Hilfsprogramm der US-Regierung haben Inflationsängste geschürt und an den Anleihenmärkten zu einem sprunghaften Anstieg der Zinsen geführt. Die US-Kreditkosten und die Ölpreise sind im Frühjahr auf ihre Vorkrisenniveaus zurückgekehrt und haben für zusätzliche Unruhe gesorgt. Unter den Marktteilnehmern wächst die Sorge, dass diese Entwicklungen die wichtigen Notenbanken dazu zwingen könnten, ihre expansive Geldpolitik aufzugeben, bevor die Weltwirtschaft wieder Fahrt aufgenommen hat.

Vertreter der Zentralbanken betonen unterdessen immer wieder, dass sie ihre lockere Geldpolitik so lange aufrecht erhalten werden, bis eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft eingesetzt hat. Von diesem Weg wollen sie sich auch dann nicht abbringen lassen, wenn die Inflation in den kommenden Monaten zeitweise über die gesteckten Zielmarken hinaus steigen sollte. So hat EZB-Präsidentin Christine Lagarde jüngst betont, dass Europas Währungshüter die Finanzierungsbedingungen in der Pandemie weiterhin günstig halten werden und die Entwicklung der langfristigen Anleiherenditen genau beobachten. Erst Mitte Dezember hatte die EZB ihr flexibles Notfallankaufprogramm für Anleihen öffentlicher und privater Schuldner (Pandemic Emergency Purchase Programme, kurz PEPP) um 500 Milliarden Euro auf 1,85 Billionen Euro aufgestockt und dessen Mindestlaufzeit bis Ende März 2022 verlängert. Dieses Programm soll es der Zentralbank ermöglichen, über den Kauf von Anleihen günstige Finanzierungsbedingungen für Staaten und Unternehmen sicherzustellen.

Es bleibt abzuwarten, ob es den Notenbanken gelingen wird, die Akteure auf den Kapitalmärkten zu beruhigen. Auf jeden Fall ist die Nervosität vieler Marktteilnehmer im Frühjahr 2021 deutlich gestiegen. An den Aktienmärkten herrscht nach wie vor ein erheblicher Optimismus, der bisweilen sogar in Euphorie umschlägt. Andererseits gibt es zahlreiche mahnende Stimmen, die angesichts der aus fundamentaler Perspektive sehr hohen Bewertungen vieler Märkte und Marktsegmente und deutlicher Hinweise auf spekulative Übertreibungen vor allem auf den US-Märkten vor einem drohenden Crash warnen. Für Investoren besteht die Herausforderung darin, in solchen Marktphasen einen kühlen Kopf zu bewahren und möglichst rationale Anlageentscheidungen zu treffen. Wie schwierig das ist, deutet folgende Erkenntnis des Unternehmers und Fondsmanagers John Templeton an: „Bullenmärkte werden im Pessimismus geboren, wachsen im Skeptizismus, reifen im Optimismus und sterben in der Euphorie.“