Finanzwissen

Börsenweisheiten führen selten zum Erfolg

Geschrieben von Whitebox-Redaktion | Mar 21, 2024 9:43:00 AM

Anleger werden an der Börse mit einer ganzen Reihe von Sprichwörtern konfrontiert. Diese Weisheiten haben auf den Finanzmärkten ein starkes Gewicht und können Börsenkurse positiv oder negativ beeinflussen. Doch nicht immer stellen sich diese Ratschläge und Empfehlungen auch als richtig heraus. 

Die Aktienmärkte sind von Zyklen und wiederkehrenden Phänomenen geprägt. Börsianer haben ihre Erkenntnisse in sogenannten Börsenweisheiten zusammengefasst. Anleger sollten jedoch beachten, dass diese Erkenntnisse keine Garantien für einen Anlageerfolg sind und dass Risiken genauso zu einer Kapitalanlage gehören wie Chancen. Auf einige dieser Weisheiten gehen wir in dem folgenden Beitrag ein.

„Sell in May and go away“ („Im Mai verkaufen und weggehen“)

Zu den bekanntesten Börsenweisheiten zählt der Ratschlag „Sell in May and go away“. Doch ist der Mai für Anleger wirklich ein guter Zeitpunkt, um sich von ihren Aktien und Fonds zu trennen und erst im September wieder einzusteigen? Dahinter stecken vor allem zwei Annahmen:

  • Viele Investoren verabschieden sich bereits im Mai, einem Monat mit vielen Feiertagen, von der Börse und handeln erst im Herbst wieder verstärkt.
  • In den lauen Sommermonaten fehlt es der Börse an Investoren und damit auch an Nachfrage, was sich auch in schwächeren Kursen niederschlagen kann.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: Private Investoren sollten diesen Ratschlag mit Vorsicht genießen. Wenngleich die Investmentaktivität an den Börsen in den Sommermonaten tendenziell etwas schwächer ist, lässt sich daraus keine verlässliche Anlagestrategie ableiten. Zum einen können Anleger heute Kurse und Unternehmensnachrichten über Smartphones oder Tablets überall verfolgen und ihre Investments auch im Urlaub dementsprechend anpassen. Zum anderen hätte einer Postbank-Studie zufolge ein Verkauf von Aktien zu Ende April und der Wiedereinstieg Anfang Oktober über einen Zeitraum von 13 Jahren in der Mehrzahl der Fälle nicht zu einem besseren Jahresergebnis geführt, als die Aktien über die Sommermonate zu halten. Langfristige Anleger sollten ohnehin von kurzfristigen Investitionen zum Vermögensaufbau absehen.

Der „Januar-Effekt“

Eine weitere Börsenweisheit ist der „Januar-Effekt“. Er besagt, dass die ersten fünf Handelstage eines Jahres die Richtung fürs Gesamtjahr vorgeben. Dahinter stecken vor allem drei Annahmen:

  • Wenn institutionelle Investoren ihre Portfolios im Dezember bereinigen und verlustbringende Positionen verkaufen, tendiert der Aktienmarkt dazu, im Januar zu steigen.
  • Portfolios sehen durch dieses sogenannte „Window Dressing“ im Jahresbericht attraktiver aus und enthalten viele Werte mit starker Performance.
  • Die freigewordenen Mittel investieren Fondsmanager zumeist im Januar wieder an der Börse.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: Der Januar-Effekt, der in der Vergangenheit tatsächlich recht häufig auftrat, scheint nach Erhebungen von Goldman Sachs inzwischen zu verblassen. Laut den Bankern stehen die Chancen auf steigende Kurse im Januar bei 50/50. Zudem gibt es regionale Unterschiede: Während beispielsweise der Januar im DAX statistisch gesehen in den vergangenen zehn Jahren kein so guter Börsenmonat war, konnte der Dow Jones in diesem Zeitraum mit einem leicht besseren Januar-Ergebnis aufwarten. Vor diesem Hintergrund deutet ein guter Jahresstart nicht unbedingt auf ein positives Börsenjahr hin.

„The trend is your friend“ („Der Trend ist dein Freund“)

Diese eher aus der technischen Analyse stammende Börsenweisheit geht davon aus, dass die Kurse von Aktien, die in der Vergangenheit einen Aufwärtstrend verzeichneten, wahrscheinlich auch weiterhin steigen werden. Dahinter stecken vor allem zwei Annahmen:

  • Trends können mithilfe von Trendfolgestrategien frühzeitig erkannt und solange genutzt werden, bis eindeutige Zeichen der Trendumkehr vorliegen.
  • Aktien bewegen sich immer in Phasen.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: Dieses als Schwarmintelligenz bekannte Phänomen ist für Anleger durchaus nicht ungefährlich. Denn in der Vergangenheit hat es Anleger häufig Rendite gekostet. Ein Beispiel dafür war die Dotcom-Blase: Hier kauften zahlreiche Deutsche vermeintlich sichere Wertpapiere, deren Kurs die Monate vorher deutlich gestiegen waren – ein fataler Fehler. Daher gilt: Trends sollten kritisch hinterfragt werden. Besser ist es, bei langfristigen Geldanlagen auf sachliche Analysen und Fundamentaldaten zu setzen. Auch wenn es durchaus Mut und Rückgrat braucht: Manchmal ist es besser, sich dem Trend entgegenzusetzen.

„Buy the rumor, sell the fact“ („Kaufe bei Gerüchten, verkaufe bei Fakten“)

Gerüchte sind für Börsianer das täglich Brot. Schließlich will jeder der Erste sein, wenn sich eine Marktrallye ankündigt. Laut dieser Börsenweisheit können positive Gerüchte zu erheblichen Kurssteigerungen führen. Dahinter stecken vor allem drei Annahmen:

  1. Der Kurs einer Aktie steigt, wenn sich die Anzeichen verdichten, dass bei einem Unternehmen ein großes Ereignis oder eine Übernahme ins Haus steht.
  2. Wenn sich die Gerüchte jedoch später als Fakten erweisen oder die Nachrichten viel besser ausfallen als die Prognosen, fallen die Kurse oder Händler nehmen die erzielten Gewinne mit.
  3. Wenn die Nachrichten nicht den Erwartungen entsprechen, verkaufen Händler und Investoren gleichermaßen. Dann kann der Einbruch sich in einen länger anhaltenden Kursrückgang verwandeln.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: Grundsätzlich sind langfristige Investoren besser beraten, sich von Hörensagen und Flurfunk freizumachen und sich stattdessen auf Fakten und Fundamentaldaten zu fokussieren. Denn entscheidend ist nicht allein der Preis eines Investments, sondern sein eigentlicher Wert. Sollte der Preis unter dem fairen Wert liegen, sollten Anleger zugreifen – auch wenn die Masse entgegengesetzt agiert.

„Buy the dip" („Kaufe, wenn die Kurse unten sind“)

Diese Börsenweisheit ist ein bekanntes Anlegermotto. Es bedeutet, dass Privatanleger eigentlich bei jedem Einbruch kaufen sollten, da die Aktienkurse langfristig gesehen immer steigen. Diese Weisheit basiert auf den folgenden zwei Annahmen:

  • Bei Kursrückschlägen kaufen Anleger Aktien, um günstigere Einstiegskurse zu erhalten.
  • Private Anleger wissen, wann Hausse- oder Baisse-Phasen beginnen.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: In Zeiten boomender Aktienmärkte kann das durchaus eine erfolgreiche Strategie sein, da Aktienkurse nach Rückschlägen oft weiter steigen. Allerdings sollten Anleger nicht blindlings bei jedem Dip kaufen, sondern sich immer vergewissern, dass der Preis gegenüber dem fairen Wert attraktiv ist. Denn nach (starken) Kursrückgängen kann ein Investment weiterhin überbewertet oder auch zu Recht tief gesunken sein. Entscheidend ist es daher, den fairen Wert eines Investments auf Basis fundamentaler Daten zu ermitteln und daraufhin dann die Kaufchance zu beurteilen.

„Never catch a falling knife“ („Greife nie in ein fallendes Messer“)

Mit dem „fallenden Messer“ ist eine Aktie gemeint, deren Kurs (stark) abstürzt. Die Empfehlung, niemals in ein fallendes Messer zu greifen, soll Anleger also davon abhalten, eine solche Aktie zu kaufen. Die Schnittwunde, die beim Zugreifen, also beim Kauf riskiert wird, steht für das Verlustrisiko. Dahinter stecken vor allem drei Annahmen:

  1. Keine Aktie ist so billig, dass sie nicht noch billiger werden könnte.
  2. Es ist äußerst schwierig vorherzusagen, ob und wann eine Aktie ihren Sinkflug beenden wird und ihr Kurs wieder nachhaltig steigt.
  3. Es kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, wann eine Aktie den Boden – also ihren vorläufigen Tiefpunkt – erreicht hat und ihr Kurs wieder nach oben dreht.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: Vorfälle wie die Finanzkrise im Jahr 2008, der Dieselskandal in der Automobilindustrie oder Skandale um schädliche Unkrautmittel können sich massiv auf die Bilanz auswirken – und damit den Kurs drücken. Wie tief die Kurstäler ausfallen und wie lange der Negativtrend anhält, hängt dabei maßgeblich von den Gründen des Absturzes ab. Für die Frage, ob das Investment attraktiv ist, ist die Dauer des Kursverfalls allerdings zweitrangig. Denn Markttiming funktioniert in der Regel nicht. Als Anleger sollten Sie ein Asset kaufen, wenn sein Preis gegenüber seinem fairen Wert attraktiv ist – und nicht versuchen, den absoluten Tiefpunkt zu erwischen.

„Don’t fight the Fed" („Stelle dich nie gegen die Notenbank“)

Nach dieser Börsenweisheit sollen Anleger nicht gegen die Zentralbank – weder gegen die US-Notenbank Fed noch gegen die EZB – spekulieren. Diese Börsenweisheit geht von den folgenden beiden Annahmen aus:

  • Investoren, die diese Börsenweisheit in der Vergangenheit beherzigten, kauften Aktien oder andere Finanzinstrumente, wenn die Fed oder EZB ihren Leitzins gesenkt hat, und verkauften diese, wenn die Zentralbanken den Zins erhöht haben.
  • Die lockere Geldpolitik der Fed ist für den starken Anstieg des Aktienmarkts der letzten Jahre verantwortlich.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: Anleger sind meist gut beraten, sich nicht gegen die Politik der Notenbanken zu richten. Indem Anleger die geldpolitischen Entscheidungen der Zentralbanken berücksichtigen und sich darauf einstellen, können sie potenzielle Risiken minimieren und von den sich bietenden Marktchancen profitieren. 

„Verluste begrenzen, Gewinne laufen lassen“

Bei einem Investment Verluste zu begrenzen und Gewinne laufen zu lassen, ist wohl das Ziel eines jeden Anlegers. Dahinter stecken vor allem drei Annahmen:

  • Gewinneraktien der letzten Jahre schneiden auch im nächsten Jahr überdurchschnittlich ab.
  • „Momentum“-Aktien, also Aktien mit einer starken Kursentwicklung in der Vergangenheit, schneiden in vielen Zeitperioden besser ab als der Gesamtmarkt.
  • Anlegern fällt es leicht, Aktien mit Verlusten zu verkaufen.

Unsere Einschätzung zur Börsenweisheit: Untersuchungen haben gezeigt, dass vor allem konservative Investoren diese Strategie nicht beherzigen. Sie neigen vielmehr dazu, Gewinne schnell zu realisieren und im Falle von Verlusten zu hoffen, dass sich der Markt wieder zu ihren Gunsten wendet.

Sachliche Analyse statt Emotionen oder Weisheiten

Unsere digital abgebildeten Prozesse bei Whitebox sind frei von sogenannten Börsenweisheiten oder anlegerpsychologischem Fehlverhalten. Als Robo-Advisor bewerten wir den Kurs eines Wertpapiers stattdessen sachlich im Verhältnis zu kursrelevanten Größen. Im Gegensatz zu Anlegern, die allzu oft dazu neigen prozyklisch zu handeln, verkaufen wir als digitaler Vermögensverwalter gemäß unserem Value-Ansatz eine Anlageklasse, wenn diese im Vergleich zu ihrem fairen Wert zu stark gestiegen ist und kaufen, wenn sie zu Unrecht gefallen oder unter ihren fairen Wert gesunken ist.