Finanzwissen

Update zur Corona-Krise: Raus aus dem Krisenmodus

Geschrieben von Salome Preiswerk | Mar 24, 2020 11:00:00 PM

Wir gehen nicht davon aus, dass die Corona-Krise die Menschheit zurück in die Steinzeit katapultieren wird. Die derzeitige Baisse an den Börsen liefert keinen Grund dafür, von bewährten Anlagestrategien abzurücken. Tatsächlich bieten sich auf den Aktienmärkten bereits erste Anlagechancen. Wir werden diese nutzen, um das langfristige Renditepotenzial unserer Portfolios zu erhöhen.

Die politischen Aktivitäten zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie werden die Weltwirtschaft zumindest kurzfristig spürbar belasten. Es ist jedoch zu früh, um die langfristigen ökonomischen Folgen seriös abzuschätzen. Doch Krisen und ihre wirtschaftlichen Folgen sind ebenso Bestandteile normaler Wirtschaftszyklen wie robuste Wachstumsphasen. Für Investoren gehören Rezessionen und Bärenmärkte zum Leben. Man muss mit ihnen rechnen und lernen, mit ihnen umzugehen.

Angesichts der zuvor sehr hohen Bewertungen der meisten Aktienmärkte haben wir schon länger mit Kurskorrekturen gerechnet und unsere Portfolios bereits 2019 tendenziell defensiv ausgerichtet. Dennoch waren auch wir überrascht davon, wie schnell und stark die Aktienkurse in den vergangenen Wochen gefallen sind. Grundsätzlich haben wir in dieser Baisse aber bisher noch keine Phänomene beobachtet, die sich nicht in jedem normalen Marktzyklus ereignen. Auch die Kursverluste unserer Portfolios bewegen sich im Rahmen unserer Erwartungen. Deshalb konzentrieren wir uns derzeit darauf, deren langfristige Renditechancen zu erhöhen und nach attraktiven Anlagemöglichkeiten zu suchen.

Geduldig und besonnen heißt nicht passiv

Dabei lassen wir uns nicht durch kurzfristige Turbulenzen aus der Ruhe bringen. Das bedeutet nicht, dass wir passiv bleiben und einfach abwarten, sondern wir verfolgen unsere bewährte Anlagestrategie konsequent weiter. Wir sind fest davon überzeugt, dass wir gerade jetzt durch geduldiges und besonnenes Handeln langfristige Vorteile für unsere Kunden erzielen können. Wie in anderen Marktphasen auch passen wir die Portfolios unserer Kunden ausschließlich aus drei Gründen an:

  • Abweichungen von Zielallokationen: Durch größere Kursbewegungen kann sich die ursprüngliche, den Kundenbedürfnissen entsprechende Rendite-Risiko-Struktur der Portfolios verändern. So ist zum Beispiel durch die zuletzt starken Kursverluste an den Aktienmärkten der Aktienanteil unserer Portfolios gesunken, während der Anteil der Anleihen und anderen als sicher geltenden Anlageklassen gestiegen ist. Um dies auszugleichen, verkaufen wir tendenziell Anleihen und investieren die frei gewordenen Mittel in Aktien (Rebalancing). Dies geschieht allerdings niemals mechanisch, sondern stets mit Blick darauf, die Renditechancen der Gesamtportfolios zu optimieren. So investieren wir beispielsweise auch bei solchen Umschichtungen gezielt in Aktienmärkte oder Marktsegmente, die aus fundamentaler Perspektive langfristig ein überdurchschnittliches Renditepotential erwarten lassen.
  • Anpassung der Risikostruktur: In Haussephasen kommt es immer wieder vor, dass die Euphorie der Anleger die Aktienkurse in Höhen treibt, die aus fundamentaler Perspektive nicht gerechtfertigt erscheinen. In solchen Phasen werden kurzfristige Kurskorrekturen oder auch längere Baissephasen wahrscheinlicher. Wir richten unsere Portfolios dann häufig etwas defensiver aus, indem wir Positionen in stark überbewerteten Märkten reduzieren und die Gelder stattdessen in günstiger bewertete Märkte investieren. Beispielsweise haben wir US-Aktien bereits seit längerem untergewichtet, weil der US-Aktienmarkt unseren Analysen zufolge überteuert war. Unser derzeitiger Fokus liegt entsprechend darauf, jene Auswirkungen der Corona-Krise, die einen relevanten negativen Effekt auf unsere langfristigen Fair-Value-Berechnungen haben, von denen zu unterscheiden, die so schnell wieder weg sein werden, wie sie gekommen sind. In vielen Fällen ist es allerdings für eine seriöse abschließende Bewertung noch zu früh.
  • Suche nach Kaufgelegenheiten: Wir suchen kontinuierlich nach Märkten oder Marktsegmenten, die wir für unterbewertet halten. Wenn die Aktienkurse an den Börsen in Baissephasen deutlich fallen, sinken die Marktwerte der dort gelisteten Unternehmen. Da die Akteure an den Börsen häufig übertreiben, fallen die Preise dabei oft unter ihren fairen oder inneren Wert. Dieser stellt den theoretischen Wert von Unternehmen oder Märkten dar, den wir im Rahmen unserer fundamentalen Analysen errechnen. Wenn der Preis eines Anlageinstruments deutlich unter seinen inneren Wert sinkt, betrachten wir das als gute Einstiegsgelegenheit für langfristige Investitionen. Erfahrungsgemäß bieten sich gerade in Bärenmärkten hervorragende Kaufgelegenheiten.

Als Value-Investoren agieren wir meist antizyklisch

Als Value-Investoren richten wir unsere Anlageentscheidungen dabei in jeder Marktphase an unserer Strategie aus: Wir verkaufen Aktien- oder Rentenpositionen also nicht, bloß weil sie Kursverluste oder Kursgewinne verzeichnet haben. Wir verkaufen sie vor allem dann, wenn unsere fundamentalen Analysen darauf hindeuten, dass die entsprechenden Märkte oder Marktsegmente so stark überbewertet sind, dass sie langfristig nur noch unterdurchschnittliche Renditechancen bieten.

Umgekehrt bauen wir auch keine neuen Positionen auf, bloß weil Märkte oder Marktsegmente deutliche Kursverluste erlitten haben und daher billiger sind als noch zwei oder drei Monate zuvor. Vielmehr investieren wir erst dann, wenn unsere fundamentalen Analysen darauf hindeuten, dass bestimmte Märkte klar unterbewertet sind, ihr fairer oder innerer Wert also deutlich höher ist als die aktuellen Marktpreise. In solchen Fällen erwarten wir langfristig überdurchschnittliche Renditechancen.

Angesichts dieser Anlagephilosophie agieren wir häufig, aber keinesfalls immer antizyklisch: Wir verkaufen tendenziell öfter, wenn die Kurse steigen und die Marktpreise von Aktien oder Anleihen damit deutlich über deren innere Werte klettern. Umgekehrt bieten sich in einer Baisse häufiger Kaufgelegenheiten, weil die Kurse der Wertpapiere dann deutlich unter ihre fairen Werte sinken können.

Auf den Aktienmärkten eröffnen sich neue Anlagechancen

Wir hatten unsere Portfolios bereits 2019 relativ defensiv ausgerichtet, weil wir die Aktienmärkte fast durchweg für überbewertet hielten. Mit dem Eintritt in den Bärenmarkt hat sich unser Fokus deutlich verschoben. Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen einer Krise oder Katastrophe sollte man ergreifen, bevor diese eintreten. Wenn die Erde bereits bebt, ist es für Risikoprävention zu spät. Dann ist es an der Zeit, sich Gedanken darüber machen, wie man die Schäden möglichst schnell beseitigen und zerstörte Häuser und Infrastruktur rasch wieder aufbauen kann. An den Börsen ist es nicht anders: Wenn es hier zu starken Kursverlusten gekommen ist, sollte man seinen Blick auf die Zeit nach der Krise richten und gezielt nach Chancen suchen, um von den niedrigen Kursen zu profitieren. Genau darauf konzentrieren wir uns gerade.

Dabei bleiben wir angesichts der deutlich gestiegenen Rezessionsgefahr in vielen wichtigen Ländern tendenziell noch defensiv ausgerichtet. Allerdings sehen wir mittlerweile in einigen Bereichen der Aktienmärkte bereits erste Anlagechancen und wir werden schnell reagieren, wenn strukturelle oder zyklische Entwicklungen dazu führen, dass sich weitere Chancen auf langfristige Gewinne eröffnen. Der Value-Investor und Multimilliardär Warren Buffett hat diese Situation in einem Brief an die Aktionäre seiner Holdinggesellschaft wie folgt beschrieben: „Etwa alle zehn Jahre füllen dunkle Wolken den Wirtschaftshimmel und es regnet kurzzeitig Gold. Wenn es zu solchen Unwettern kommt, müssen wir mit Waschkübeln nach draußen eilen, nicht mit Teelöffeln. Und genau das werden wir tun.“

Und tatsächlich eröffnen sich in der gegenwärtigen Krise bereits neue Anlagechancen: Konkret halten wir derzeit vor allem die Aktien von Unternehmen aus dem Energiesektor sowie den britischen und den japanischen Aktienmarkt für attraktiv bewertet. US-Aktien erscheinen uns insgesamt noch nicht preiswert, haben sich aber ihren fundamental gerechtfertigten Bewertungsniveaus angenähert. Im Anleihensegment sehen wir bei US-Hochzinsanleihen und Staatsanleihen aus Schwellenländern erste Kaufgelegenheiten.

Mit langfristigem Denken Fehler vermeiden

Wir wissen nicht, wie sich die Kurse von Aktien und Anleihen im kommenden Monat oder im nächsten Jahr entwickeln werden. Aber wir wissen, dass es an den Börsen und Kapitalmärkten immer wieder zu Übertreibungen kommt – Euphorie und Panik katapultieren die Kurse regelmäßig in Regionen, die aus einer fundamentalen Perspektive schlicht und einfach unangemessen sind. Gerade in solchen Marktphasen ist es wichtig, seine Anlagestrategie konsequent zu verfolgen. Als Value-Investoren betrachten wir Bärenmärkte vor allem als Chance, weil sich neue, attraktive Anlagemöglichkeiten ergeben können. Wir freuen uns, dass es uns auch viele unserer Kunden in diesen Tagen gleich tun: Sie sehen die aktuelle Situation keinesfalls als Ausstiegszeitpunkt, sondern als sich endlich ergebende gute Gelegenheit einzusteigen oder aufzustocken!

Sollte Ihnen eine zumindest ebenso chancen- als auch risikogetriebene Sicht auf die Dinge angesichts der täglichen Krisenmeldungen und Horrorszenarien schwerfallen, empfehlen wir Ihnen, Ihren Medienkonsum einzuschränken. Setzen Sie sich stattdessen hin und wieder gezielt mit langfristigen Fragestellungen auseinander: Wie könnte die Welt in fünf oder zehn Jahren aussehen? Werden die Menschen dann immer noch Geld für Güter und Dienstleistungen ausgeben? Wird es immer noch Unternehmen geben, die Gewinne erwirtschaften? Oder konkret im Hinblick auf Ihre Geldanlagen: Was können Sie in einer solchen Situation unternehmen, um Ihre individuellen Anlageziele zu erreichen (siehe hierzu auch „Update zur Corona-Krise: Die Bären bitten zum Tanz“)? Der Wirtschaftswissenschaftler und Nobelpreisträger Robert Schiller hat einmal gesagt: „Die Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf wichtige Dinge zu lenken, gehört zu den entscheidenden Merkmalen der Intelligenz.“ Gerade in unruhigen und unsicheren Zeiten wie dieser erscheint uns das auch eine sinnvolle Handlungsempfehlung zu sein.

Mittel-bis langfristiger Ausblick

Bei Whitebox versuchen wir, bei jeder unserer Anlageentscheidungen fünf bis zehn Jahre vorauszublicken. Dieser Zeithorizont ist tief in unserem Anlageprozess verankert und wir sind davon überzeugt, dass dies die einzig sinnvolle Methode ist, um zu investieren. Wenn wir eine möglicherweise bevorstehende Rezession aus dieser Perspektive betrachten, wirkt dieser Ausblick unglaublich befreiend. Langfristig orientieren sich die Kursentwicklungen an den Aktienbörsen erfahrungsgemäß an den Gewinnen der dort gehandelten Aktiengesellschaften. Daran haben weder Kriege noch Pandemien oder andere Katastrophen bisher je etwas ändern können.