Mittelstandsanleihen
Investieren in den deutschen Mittelstand – das hört sich mehr als solide an. Mit den sogenannten Mittelstandsanleihen haben sich viele Anleger allerdings die Finger verbrannt: Zu viele Unternehmen konnten ihre Anleihen nicht pünktlich oder gar nicht zurückzahlen. Heute sind die regulatorischen Anforderungen höher.
Die wichtigsten Aspekte dieses Artikels:
- Als Mittelstandsanleihe werden Unternehmensanleihen bezeichnet, die von kleinen oder mittelständischen Unternehmen (KMU) emittiert wurden.
- Das Emissionsvolumen von Mittelstandsanleihen ist im Vergleich zu traditionellen Anleihen klein und liegt meist bei maximal 30 Millionen Euro.
- Die Laufzeit von Mittelstandsanleihen liegt bei durchschnittlich fünf Jahren.
- Ziel der in Deutschland 2010 ins Leben gerufenen Mittelstandsanleihen war es, für KMU weitere Finanzierungsmöglichkeiten zu schaffen und Anlegern Zugang zum Mittelstand zu ermöglichen.
- Es gab über die Jahre viele Zahlungsverzögerungen und Ausfälle, so dass Mittelstandsanleihen in Verruf gerieten.
- Heute werden Mittelstandsanleihen meist KMU-Anleihen oder Minibonds genannt. Die regulatorischen Anforderungen sind gestiegen.
Was sind Mittelstandsanleihen?
Mittelstandsanleihen sind Anleihen kleiner oder mittelständischer Unternehmen (KMU). Das Emissionsvolumen ist dabei deutlich kleiner als bei traditionellen Anleihen und reicht von 15 bis zu 150 Millionen Euro, meist sind es unter 30 Millionen Euro. Die Laufzeit beträgt durchschnittlich fünf Jahre, die Stückelung liegt bei 1.000 Euro. Der Anleihekupon ist höher als bei gleichlang laufenden Anleihen größerer Unternehmen.
Welche Unternehmen werden als Mittelstand bzw. KMU bezeichnet?
Zum Mittelstand gehören laut KfW Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von maximal 50 Millionen Euro. Dem Bundesverband mittelständische Wirtschaft BVMW zufolge gehören 3,5 Millionen Unternehmen in Deutschland zu den KMU, das sind 99,5 Prozent aller Unternehmen in Deutschland.
Warum begeben Unternehmen Mittelstands-Anleihen?
Grundsätzlich können KMU mit solchen Anleihen ihre Finanzierungs- und Kapitalstruktur jenseits von Bankkrediten diversifizieren. Die Mittel aus der Anleihe fließen in die Finanzierung einer Expansion, in Projekte, Akquisitionsvorhaben oder die Refinanzierung bestehender kurz- bis mittelfristiger Verbindlichkeiten.
Wer kauft Mittelstandsanleihen?
Für Anleger bieten Mittelstandsanleihen die Chance auf überdurchschnittliche Renditen und Zugang zum deutschen Mittelstand. Käufer der Anleihen sind meist institutionelle Investoren oder Family Offices. Wegen der Mindestanlagesummen von 1.000 Euro haben in der Vergangenheit aber auch viele Privatanleger entsprechende Anleihen erworben.
Wie können Sie erkennen, ob eine Mittelstandsanleiheanleihe eine sichere Anlage ist?
Eine gewisse Orientierung sollen Ratings bieten. Für den Handel an einer Börse ist ein Unternehmens- oder Anleihen-Rating nötig. Mehrere deutsche Rating-Agenturen haben sich auf das Rating von Mittelstandsanleihen spezialisiert. Die Rating-Methodik unterscheidet sich allerdings von Rating-Agentur zu Rating-Agentur. Das Unternehmens-Rating sagt nur eingeschränkt etwas über die Ausfallwahrscheinlichkeit einer konkreten Anleihe aus, die unter Umständen nur einen kleinen Anteil der Verbindlichkeiten ausmacht.
Wie haben sich Mittelstands-Anleihen in der Vergangenheit entwickelt?
Das erste Börsensegment für Mittelstandsanleihen entstand 2010 an der Börse Stuttgart („BondM“). In den Anfangsjahren entwickelte sich der Markt für Mittelstandsanleihen sehr dynamisch. Neben BondM entstanden weitere, speziell für den Handel von Mittelstandsanleihen geschaffene Börsensegmente wie der Entry Standard der Deutschen Börse und der Mittelstandsmarkt der Düsseldorfer Börse. Von 2010 bis 2013 führte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (kurz BaFin) eigenen Aussagen zufolge fast 150 Verfahren zur Billigung von Wertpapierprospekten für Mittelstandsanleihen durch.
Doch schon bald kam es zu zahlreichen Zahlungsverzögerungen und Ausfällen. Beispiele sind der Modehändler Steilmann, der Brennstoffhersteller German Pellets, das Modeunternehmen Strenesse, die Reederei Rickmers, die Fluggesellschaft Air Berlin und der Agrarkonzern KTG Agrar. Auch zahlreiche Erneuerbare-Energien-Unternehmen waren dabei - etwa Windreich, Solar Millenium, Solen, SAG Solarstrom und Controsolar. Viele erfolgreiche Unternehmen kehrten den Börsensegmenten den Rücken und listeten ihre Anleihen lieber in anderen Börsensegmenten.
Abgesehen von den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die zum Ausfall der Anleihen und zu Zahlungsstörungen führten, hatten viele Emittenten auch Probleme mit der erforderlichen Transparenz und der Kommunikation mit Anlegern. Anleger hatten zudem oft leichtgläubig auf die häufig familiengeführten Unternehmen gesetzt, der Begriff „Mittelstandsanleihe“ hatte ihnen Seriosität, Solidität und Sicherheit suggeriert. Auf die Ratings war kein Verlass, oft kam es gleich nach der Emission schon zu Herabstufungen. Die speziell für den Handel von Mittelstandsanleihen geschaffenen Börsensegmente wurden wieder abgeschafft oder liefen aus.
Heute werden die meist KMU-Anleihen oder Minibonds genannten Anleihen im allgemeinen Freiverkehr an den Börsen gehandelt beziehungsweise im neuen Anleihensegment Scale der Börse Frankfurt – mit deutlich höheren Transparenzpflichten.
Welche Vor- und Nachteile bieten Mittelstandsanleihen für Anleger?
Pro:
- Zugang zu einem ansonsten für Anleger nicht zugänglichen, aber sehr wichtigen Bereich der deutschen Wirtschaft
- Chance auf überdurchschnittliche Renditen
- Chance auf regelmäßiges Einkommen
Contra:
- Hohe Ausfallrate
- schwer einzuschätzende Bonität
- häufige mangelhafte Liquidität wegen der vergleichsweise niedrigen Emissionsvolumina
Mittelstandsanleihen sind letztlich eine hochspekulative Anlagemöglichkeit, die zwar hohe Renditen versprechen, aber mit einem hohem Ausfallrisiko verbunden sind. Die hohe Verzinsung ist Gradmesser dieses hohen Risikos.
Welche Rolle spielen Mittelstands-Anleihen für Whitebox?
Wir bei Whitebox setzen zwar auf Anleihen in unseren ETF-Portfolios, aber nicht auf einzelnen Anleihen und damit auch nicht auf Mittelstands-Anleihen. Wir investieren vielmehr in einen Korb von Anleihen – und zwar über ETFs. Mit diesen kostengünstigen, passiv gemanagten Fonds setzen wir auf viele verschiedene Unternehmensanleihen aus unterschiedlichen Regionen und mit unterschiedlichem Risikoprofil.
Im Anleihensegment investiert Whitebox derzeit über ETFs in europäische und globale Staats- und Unternehmensanleihen, US-Staatsanleihen, Anleihen von Schwellenländern in harter und lokaler Währung sowie inflationsindexierte Anleihen der Eurozone. Darunter finden sich auch globale hochverzinsliche Unternehmensanleihen. Der entsprechende ETF, der den Markit iBoxx Global Developed Markets Liquid High Yield Capped Index abbildet, bietet ein diversifiziertes Engagement in globale Anleihen mit einem Rating unterhalb von Investment Grade („High Yield“) und aus unterschiedlichen Sektoren (Industrie-, Versorgungs- und Finanzunternehmen).