Nettorendite und Bruttorendite
Brutto oder netto? Nominal oder real? Rendite ist nicht gleich Rendite. Kosten, Steuern und Inflation belasten Ihre Erträge. Je nachdem, welche dieser Faktoren Sie berücksichtigen oder ignorieren, erhalten Sie ganz unterschiedliche Renditeangaben. Daher sollten Sie den Unterschied zwischen Brutto- und Nettorendite kennen.
Möglichst hohe, positive Renditen sind ein wichtiges Ziel wohl jedes Kapitalanlegers. Sie sind auch ein Maßstab zur Beurteilung der Erfolge von Vermögensverwaltern und Fondsmanagern und spielen eine wichtige Rolle bei der Vermarktung fast aller Anlageprodukte. Als Anleger werden Sie daher ständig mit Renditeangaben konfrontiert, die meist aus einfachen Prozentangaben bestehen und leicht miteinander vergleichbar scheinen. Doch dieser Schein trügt. Denn bei der Berechnung und Darstellung von Renditen gibt es Gestaltungsmöglichkeiten und Spielräume, die Sie kennen und berücksichtigen sollten.Beispiel Aktienanlage
Nehmen wir beispielsweise an, Sie hätten Anfang 2019 für 10.000 Euro Aktien eines europäischen Unternehmens gekauft. Ende des Jahres haben Sie die Aktien für 11.000 Euro wieder verkauft und damit einen Gewinn von 1.000 Euro erzielt. Außerdem hat Ihnen das Unternehmen in diesem Jahr eine Bardividende in Höhe von 400 Euro gezahlt. Daraus ergibt sich ein Gewinn von insgesamt 1.400 Euro und eine Rendite auf den investierten Betrag von 14 Prozent:
Rendite = | 1.400 € | x 100 = 14 Prozent |
10.000 € |
Doch diesen Ertrag haben Sie nur auf dem Papier erhalten, es handelt sich um die sogenannte Bruttorendite. Auf Ihrem Konto ist weniger Geld eingegangen, weil Sie von Ihrem Gewinn Steuern und Kosten bezahlen mussten. Den Ertrag nach Abzug aller Steuern und Kosten bezeichnet man als Nettorendite. Die Nettorendite gibt also an, welcher Ertrag tatsächlich bei Ihnen hängen bleibt. Sie ist damit für die meisten Investoren entscheidender, um ihre Anlageerfolge zu beurteilen, als die Bruttorendite. Bevor wir grob berechnen, wie hoch sie in unserem konkreten Beispiel tatsächlich ausfällt, möchten wir Ihnen einen kurzen Überblick darüber geben, welche Faktoren die Bruttorenditen von Kapitalanlagen reduzieren können.
Mit welchen Kosten und Gebühren müssen Sie rechnen?
Mit jeder Kapitalanlage sind auch Kosten verbunden, die je nach Anlageinstrument unterschiedlich ausfallen. Bei Wertpapieranlagen können beispielsweise folgende Faktoren eine Rolle spielen:
- Depotgebühren und Bankgebühren: Diese fallen grundsätzlich an, da Wertpapiergeschäfte nicht ohne Konto und Depot abgewickelt werden können.
- Transaktionskosten beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren.
- Kosten für Anlageprodukte: Investmentfonds zum Beispiel verlangen eine jährliche Verwaltungsgebühren und teilweise auch erfolgsabhängige Gebühren.
- Vertriebskosten: Manche Produktanbieter kaschieren diese gerne als „Beratungsgebühren“. Wenn Sie zum Beispiel traditionelle Investmentfonds erwerben, zahlen Sie dafür meist einen Ausgabeaufschlag, der beim Kauf der Fondsanteile fällig wird und vor allem die Vertriebskosten abdecken soll – oft ganz unabhängig davon, ob Sie tatsächlich eine Beratung erhalten haben oder nicht.
- Honorare: Das ist das Entgelt für die Leistung unabhängiger Asset Manager oder Anlageberater, die nicht auf Provisionsbasis arbeiten.
Die Anbieter von Anlageprodukten und Finanzdienstleistungen stellen ihre Kosten teilweise unterschiedlich dar. Digitale Vermögensverwalter wie wir bei Whitebox geben häufig Kostenpauschalen an, die fast alle anfallenden Kosten und Gebühren abdecken. Lediglich die Kosten für die verwendeten Anlageprodukte, also in den meisten Fällen ETFs, sind darin nicht enthalten und werden separat ausgewiesen.
Wie hoch sind die Steuern auf Kapitalerträge?
Neben diesen Kosten schmälert ein weiterer Faktor die Erträge der Investoren: Die Renditen privater Kapitalanleger gelten als Einkommen und sind in Deutschland grundsätzlich steuerpflichtig. Der Gesetzgeber erhebt deshalb eine sogenannte Kapitalertragsteuer – und zwar direkt an der Quelle. Die depotführenden Banken führen die Steuern auf Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne also direkt an die Finanzämter ab, sobald die Erträge auf den Konten ihrer Kunden eingehen. Der Steuersatz für Kapitalerträge beträgt unabhängig von deren Höhe 25 Prozent (Abgeltungssteuer). Hinzu kommen derzeit noch der Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer. Sollte Ihr individueller Grenzsteuersatz unter 25 Prozent liegen, können Sie im Rahmen Ihrer Einkommensteuererklärung eine Günstigerprüfung beantragen.
Mit der Abgeltungssteuer Anfang 2009 hat der Gesetzgeber auch neue Steuerfreibeträge eingeführt: Demnach darf jeder Privatanleger pro Jahr Kapitalerträge in Höhe von 801 Euro steuerfrei vereinnahmen (Sparer-Pauschbetrag). Für steuerlich gemeinsam veranlagte Ehepaare verdoppelt sich dieser Freibetrag auf 1.602 Euro. Sofern Sie Ihren Kreditinstituten und anderen Finanzdienstleistern entsprechende Freistellungsaufträge erteilen, zahlen diese Ihnen Kapitalerträge bis zur beantragten Höhe ohne Steuerabzüge aus. Sollten Sie Freistellungsaufträge an mehrere Banken oder Finanzdienstleister erteilen, darf das gesamte Auftragsvolumen die Höhe des Sparer-Pauschbetrags nicht überschreiten.
Wie Kosten und Steuern die Rendite schmälern
Nun zurück zu unserem Anlagebeispiel: Nehmen wir der Einfachheit halber an, dass Sie beim Kauf und Verkauf jeweils ein Prozent des Preises für diese Dienstleistungen zahlen müssen und damit alle Transaktionskosten und Bankgebühren abgegolten seien. Anfang 2019 mussten Sie für den Kauf der Aktien also tatsächlich 10.100 Euro aufwenden (1 Prozent auf 10.000 Euro), die als Basis zur prozentualen Berechnung Ihrer Rendite dienen. Beim Verkauf der Aktien wurden dann 110 Euro fällig (1 Prozent auf 11.000 Euro), die vom erzielten Ertrag abgezogen werden.
Die Höhe der einbehaltenen Abgeltungssteuer beträgt einschließlich Solidaritätszuschlag und ohne Kirchensteuer etwa 30 Prozent der erzielten Kapitalerträge. Sofern Sie keinen Freistellungsauftrag erteilt haben oder Ihr Sparer-Pauschbetrag bereits anderweitig ausgeschöpft ist, fließen von den 1.400 Euro also etwa 420 Euro direkt an das Finanzamt. Nach Steuern und Kosten bleibt Ihnen also ein Nettoertrag von 870 Euro.
Nettoertrag = | Gewinn − Kosten bei Verkauf − Steuern |
↓
Nettoertrag = | 1.400 € − 110 € − 420 € = 870 € |
Bezogen auf die 10.100 Euro, die Sie für den Aktienkauf aufgewendet haben, entspricht das einer Rendite von rund 8,6 Prozent. Wenn Sie den Sparer-Pauschbetrag vollständig für diese Investition geltend machen könnten, blieben 801 Euro des erzielten Ertrags steuerfrei. Dann müssten Sie die Kapitalertragsteuer und den Solidaritätszuschlag nur für die restlichen 599 Euro entrichten – das wären etwa 180 Euro. Nach Steuern und Kosten verbliebe somit ein Nettoertrag von etwa 1.110 Euro.
Nettoertrag = | 1.400 € − 110 € − 180 € = 1.110 € |
Dies entspräche einer Rendite von rund 11,0 Prozent. Die Nettorendite kann je nach der individuellen steuerlichen Situation also stark variieren und liegt in unserem Beispiel grob zwischen 8,6 und 11,0 Prozent. Sie fällt aber auf jeden Fall deutlich niedriger aus als die Bruttorendite, die immerhin 14,0 Prozent beträgt.
Vorsicht bei Renditevergleichen
In der Praxis veröffentlichen viele Produktanbieter und Finanzdienstleister keine Brutto- oder Nettorenditen im hier definierten Sinn, sondern unterschiedliche Mischformen. So weisen Kapitalanlagegesellschaften die Renditen ihrer Fonds normalerweise nach Abzug aller auf der Fondsebene anfallenden Kosten und Gebühren aus. Individuelle Kosten der Anleger und individuelle steuerliche Faktoren berücksichtigen sie dagegen ebenso wenig wie die Ausgabeaufschläge, die beim Erwerb der meisten Fonds fällig werden. Obwohl diese Renditeangaben einige Kostenfaktoren berücksichtigen, werden sie also immer höher ausfallen als die tatsächlichen Nettorenditen der Investoren.
Als Anleger sollten Sie bei Renditeangaben daher stets darauf achten, ob und wenn ja welche Kosten oder steuerlichen Belastungen darin berücksichtigt sind. Vor allem wenn Sie die Rendite unterschiedlicher Fonds oder Wertpapierportfolios vergleichen wollen, ist es zudem wichtig, dass Sie deren Erträge nach einer einheitlichen Methode ermitteln. Dafür sind Bruttorenditen oder Renditen, die nach standardisierten Verfahren wie der BVI-Methode ermittelt wurden, besser geeignet als individuelle Nettorenditen. Ebenso sollten es bei den Bruttorenditen Renditeangaben vor Steuern sein. Denn bei einem Robo Advisor oder einer digitalen Vermögensverwaltung wie Whitebox sind steuerliche Effekte je nach Aktivität des jeweiligen Anbieters unterschiedlich – und das kann durchaus erheblich sein. Die Zahlen „nach Steuern“ machen eine Vergleichbarkeit schwierig, da sie statische Anbieter bevorteilen und aktive(re) Anbieter benachteiligen.
Als Kunde von Whitebox können Sie die Darstellung der Rendite Ihres Wertpapierportfolios selbst auswählen: Sie können sich dessen Brutto- oder Nettorendite anzeigen lassen oder eine bestimmte Mischform, beispielsweise die Rendite nach Kosten und vor Steuern.
Ergänzende Bemerkungen
Abschließend möchten wir Ihnen noch einige zusätzliche Hinweise geben, die bei der Beschäftigung mit diesem Thema hilfreich sein können:
- Inflation: Geld hat die unangenehme Eigenschaft, dass es in der Regel mit der Zeit an Kaufkraft verliert. Die Inflation reduziert also auch den Wert Ihres Barvermögens und Ihrer Kapitalerträge. Sie wird bei den Angaben von Brutto- und Nettorenditen normalerweise nicht berücksichtigt, weshalb man diese auch als nominale Renditen bezeichnet. Bezieht man die Inflation in die Renditebetrachtung ein, spricht man meist von realen Renditen.
- Fehlende Definition: Es gibt keine einheitliche, allgemein anerkannte Definition von Brutto- und Nettorenditen. Beispielsweise bezeichnen manche Produktanbieter die Rendite nach Kosten und vor Steuern als Nettorendite. Als Anleger sollten Sie bei entsprechenden Angaben also immer auch darauf achten, wie diese Begriffe im konkreten Fall definiert sind.
- Komplexität: Das deutsche Steuerrecht ist ausgesprochen komplex. Unsere vereinfachten Beispielrechnungen erlauben keine Aussagen über Ihre persönlichen Kapitalertragssteuern und ersetzen auch keine individuelle Steuerberatung. Für Privatanleger ohne entsprechende Kenntnisse kann es sinnvoll sein, einen Steuerberater zu konsultieren.