Value-Aktien: In der Ruhe liegt die Rendite
Anleger:innen, die auf niedrig bewertete Substanzwerte setzen, haben in den vergangenen Jahren Geduld gebraucht. Auch wenn überdurchschnittliche Renditen vorerst ausblieben, so ist doch anzumerken, dass diese Strategie in der Vergangenheit oft beachtliche Erträge erzielt hat. Denn bisher folgten auf schlechte immer gute Jahre, die den Renditerückstand von Value-Aktien mehr als wettmachten.
Viele Investoren fragen sich, ob und wann Value-Aktien wieder ein Comeback feiern werden. Während einige skeptisch sind, halten andere optimistisch an der bewährten Strategie fest. Tatsächlich ist der langfristige Erfolg von Value Investing gut dokumentiert und hat in der Vergangenheit nach schwierigen Phasen oft zu beeindruckenden Erträgen geführt. Obwohl Wachstumsaktien in den letzten Jahren die Nase vorn hatten, zeigen historische Trends, dass Value Investing langfristig durchaus seine Stärken beweisen kann.
Value-Aktien: Langfristig brachten sie mehr Rendite als Growth-Titel
In den vergangenen Jahren hinkten die Renditen des MSCI-World-Value-Index, der mehr als 960 niedrig bewertete Aktien aus 23 Ländern enthält, hinterher. Historisch betrachtet waren Value-Aktien Wachstumswerten jedoch überlegen. Auch wenn es von Zeit zu Zeit zu enttäuschenden Phasen kommt, bleibt der Grundsatz bestehen, dass niedrigere relative Preise zu höheren erwarteten Renditen führen. In Jahren, in denen Value-Aktien besser abschnitten als Wachstumswerte, betrug die durchschnittliche Prämie beispielsweise fast 15 Prozent. Im Durchschnitt haben Value-Aktien in den USA seit 1927 jährlich um 4,4 Prozent besser abgeschnitten als Wachstumswerte.
Es gab aber immer wieder Phasen, in denen Value-Aktien schlechter abschnitten als Wachstumswerte. Das war etwa in den 1990er-Jahren der Fall, als Anleger:innen Anteilsscheine an jungen Technologie- und Internetunternehmen bevorzugten und deren Preise in schwindelerregende Höhen trieben. Langfristig erfolgreiche Value-Investoren wie Warren Buffett, die sich von dem Run auf Wachstumswerte nicht mitreißen ließen und weiterhin auf unterbewertete Substanzwerte setzten, wurden damals ausgelacht. Zu Unrecht, wie sich später zeigte.
Denn im Jahr 2000, kurz vor dem Platzen der Dotcom-Blase, schlug die Stimmung an den internationalen Börsen wieder um. Bis 2007 entwickelten sich Value-Aktien erheblich besser als Wachstumswerte. Insgesamt haben sie seit dem Jahr 2000 die Nase vorn – trotz der Durststrecke der vergangenen Jahre. Auffällig ist, dass Value-Aktien Wachstumswerte während und nach Krisen am deutlichsten abhängten. Das war während der ersten Ölkrise ab 1973 der Fall und zu Beginn des neuen Jahrtausends, als sich die hohen Erwartungen an die jungen Internetunternehmen nicht erfüllten. Darüber hinaus hatten Wachstumswerte von dem starken Rückgang der Zinsen in ungewöhnlichem Maße profitiert. Mit der Rückkehr zu höheren Zinsen könnte sich also die Kluft zwischen Value-Aktien und Wachstumswerten verringern.
Was Value-Titel auszeichnet
Value-Aktien sind auf den ersten Blick nicht besonders aufregend. Meist handelt es sich um reife Konzerne mit etablierten Geschäftsmodellen, denen Glamour und eine aufregende Wachstumsstory fehlen. Diese Substanzwerte sind nach der klassischen Definition niedrig bewertet, gemessen an Kennzahlen wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis (kurz KGV) und dem Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Oft bieten Value-Aktien auch eine hohe Dividendenrendite. Ein Beispiel für einen typischen Value-Titel wäre der Penaten-Creme-Hersteller Johnson & Johnson aus den USA.
Wachstumswerte sind in der Regel hoch bewertet
Wachstumswerte werfen dagegen nach der klassischen Sichtweise gar keine Dividenden ab. Die Unternehmen finanzieren mit ihren Gewinnen stattdessen ihr künftiges Wachstum. Growth-Aktien sind in der Regel hoch bewertet, beispielsweise gemessen am KBV. Daran ist die Erwartung der Aktionäre geknüpft, dass die Gewinne künftig kräftig steigen werden. Bei Growth-Aktien handelt es sich oft um junge Technologie-Unternehmen. Zu den prominentesten Firmen im MSCI-World-Growth-Index gehören zurzeit Microsoft, Apple, Amazon, Nvidia, Tesla, Meta und Alphabet, die Muttergesellschaft von Google. Die sogenannten „Glorreichen Sieben“ sind alleine momentan für rund 60 Prozent der Index-Performance des S&P 500 verantwortlich.
Moderne Variante der Value-Strategie
Nach unserer Auffassung ist die klassische Unterscheidung zwischen Value-Aktien und Growth-Aktien mittlerweile jedoch sowieso überholt. Grundsätzlich kann jede Aktie, jede Branche und jeder Markt unter dem jeweils fairen Wert gehandelt werden – unabhängig davon, ob es sich um ein klassisches Value- oder Growth-Segment handelt.
Ein aktuelles Beispiel dafür ist der Pharmasektor, der traditionell als Wachstumsbranche gilt. Neue Produktentwicklungen beispielsweise im Bereich der Biotechnologie bieten das Potenzial für sehr hohe Gewinnsteigerungen. Unter anderem wegen einer restriktiveren Regulierung des Pharmamarktes ist dessen Bewertung jedoch unter den von uns taxierten fairen Wert gesunken. In solchen Fällen investieren wir als Value Investoren auch verstärkt in klassische Wachstumswerte. Umgekehrt ist es ebenso möglich, dass typische Value-Branchen nach unseren Bewertungsmodellen zu teuer werden. Aus solchen Segmenten ziehen wir uns dann teilweise oder ganz zurück. Ziel dieses differenzierteren Value-Ansatzes ist eine langfristige Rendite oberhalb des Marktdurchschnittes.
Die lange Erfolgshistorie spricht für den Value-Ansatz
Grundsätzlich existiert keine Anlagestrategie, die durchgehend überdurchschnittliche Gewinne abwirft. Es treten immer Phasen auf, in denen andere Strategien besser laufen. Das gilt auch für den Value-Ansatz. Wann es erneut zu einer Trendwende kommt, kann niemand genau vorhersagen. Nach Ansicht der Finanzmarktforscher Dimson, Marsh und Staunton werden sich auch künftig die Renditen von Value- und Growth-Aktien unterschiedlich entwickeln. Ob aber Substanzwerte auch weiterhin höhere Erträge liefern werden als Wachstumswerte, sei unsicher. Diese Unsicherheit ist normal, da niemand die Zukunft vorhersagen kann. Die Tatsache, dass der Value-Faktor seit den 1930-Jahren funktioniert und in vielen verschiedenen Aktienmärkten rund um den Globus nachgewiesen werden kann, spreche aber dafür. Value-Investing basiert auf Daten und hat daher zumindest eine faktenbasierte Grundlage, die seit fast 100 Jahren nachweislich funktioniert.
In der Welt des Value-Investing kommt es auf zwei entscheidende Faktoren an: Geduld und Gelassenheit. Erfolgreiche Value-Investoren zeichnen sich durch ihren langen Atem aus. Sie wissen, dass gute Investments Zeit brauchen, um sich zu entwickeln, und sind bereit, geduldig auf die Früchte ihrer Investitionen zu warten. Darüber hinaus bedeutet Erfolg an der Börse auch grundsätzlich, Ruhe zu bewahren und nicht nervös zu werden, insbesondere in Zeiten von Unsicherheit und Volatilität.